Medienvertrauen und Medienzynismus
Viel ist die Rede von Filterblasen und fakenews. Zahlen dazu gibt es wenig, nur gegenseitige politische Schuldzuweisungen und Diffamierungen. Ein wenig Klarheit bringt die sog. Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 1
Wesentlich dabei scheint mir dabei im Ergebnis, wie hoch die Zahl derjenigen eigentlich ist, die den Medien, speziell den Öffentlich-Rechtlichen, nicht mehr vertrauen und wie stark dies von politisch polarisierenden Themen abhängig ist. Dazu gibt die Studie einige Antworten.
Gefühlt ist es sicherlich so, dass es sowohl einen Vertrauensverlust gegenüber den traditionellen Medien gibt einhergehend mit einem massiven Reichweitenverlust. Der Reichweitenverlust betrifft Print Medien in einem starken Maße, aber auch die klassischen AV Medien wie das Fernsehen. Fraglich ist dabei, ob der Vertrauensverlust ursächlich für den Reichweitenverlust ist, oder ob es schlicht und einfach die Konkurrenz der sog. Intermediären2 ist. So werden die Internetanbieter genannt, die content zur Verfügung stelen, seien es vom Nutzer hochgeladene Inhalte, seien es selbst oder -fremdproduzierte.
Vertrauen ist eine Ureigenschaft des Menschen, die in der Sozialisation erworben wird und ein langfristiger Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit ist. Daher darf es nicht unterschätzt werden, welche Bedeutung Vertrauensverlust bezogen auf die Medien hat. Medien stellen nicht nur seit heute den gesamten Erfahrungs- und Wissensraum zur Verfügung, der über den Bereich der persönlichen Wahrnehmung hinausgeht. Auf diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass -zumindest in Deutschland - die Flüchtlingskrise 2015 als der wahre Katalysator des Vertrauensverlustes gilt. Offenbar treffen hier in massiver Weise die positive mediale Berichterstattung auf eine konträre Wahrnehmung in weiten Teilen der Bevölkerung, deren Vertrauen in den Rechtsstaat, in die nationale Identität massiv und existentiell betroffen ist. Die propagierte „Willkommenskultur“ löst in vielen Teilen der Bevölkerung ungläubiges Entsetzen aus. Wer sich nicht als begeistert zeigt, wird medial in die rechtspopulistische Ecke gestellt und isoliert. Diese Polarisierung führt zu Verbitterung, zu „Medienzynismus“ und damit zur Abkehr von den klassischen Massenmedien hin zur Flucht in die Meinungsblasen der sozialen Medien. Politisch aufgeschreckt, werden Gesetze erlassen, die „extreme“ Meinungen im Internet verbieten sollen. Das entsprechende „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ von 2017 3 ist nicht nur unter Datenschützern umstrittten, sondern auch nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Meinungsfreiheit grenzwertig.
Auf diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich - und damit zurück zur Studie - das es einen nicht unbeträchtlichen Kern an scharfen Kritikerinnen und Kritikern in der Bevölkerung gibt, „die etablierte Nachrichtenangebote pauschal verurteilen und teilweise sogar eine systematische Komplizenschaft zwischen Politik und Medien unterstellen“4 Die Polarisierung bedeutet, dass der Anteil der Unentschiedenen, der Neutralen schrumpft, der Anteil der positiv wie negativ gestimmten Personen zunimmt. Nun ist dies erstmalig mit zuverlässigen Zahlen belegbar: „In Deutschland wirft etwa jede fünfte Person ab 18 Jahren den Medien vor, die Bevölkerung systematisch zu belügen“.5 58% werfen diesen Vorwurf zurück, nur noch 22% wollen sich nicht festlegen ( 2016 waren es noch 36%)6
Dies geht einher mit einem durchgehenden Vertrauensverlust, der ebenfalls gewachsen ist und bei ca 30 % liegt. Die polarisierenden Debatten gehen massiv zulasten derjeniger Bevölkerungkreise, die eine eher neutrale mittlere Position einnehmen. Waren es im Jahr 2008 noch 63 % (!) sind es heute 29%,also praktisch die Hälfte.
Dabei ist nun generell zu unterscheiden zwischen der Glaubwürdigkeit der Öffentlichen-Rechtlichen und privaten TV Anbieter, der Presse und den sozialen Medien.
Erwartungsgemäß ist das Vertrauen in die Öffentlich-rechtlichen Medien und auch in die Tageszeitungen am höchsten, bei den sozialen Medien am geringsten. Interessant dabei ist, das bei eher älteren, eher gebildeten und eher sozial abgesicherten Personen das Vertrauen am größten ist. Umgekehrt ist bei den „Globalisierungsverlierern“ das Mißtrauen am größten. Perspektivisch ist über diese Faktoren hinweg von Bedeutung, dass die jüngere Generation sich massiv dem Internet zuwendet und die klassischen Massenmedien massive Reichweitenverluste hinnehmen müssen - nicht unbedingt Vertrauensverluste.
Fazit:
¨ Das Monopol der Massenmedien existiert nicht mehr - wohl aber das Meinungsmonopol
¨ Brisante Themen polarisieren stark - neutrale Haltungen haben es schwer
¨ Der Vertrauensverlust ist mit 25% nicht marginal - bei brisanten Themen noch weit höher
¨ Der Reichweitenverlust ist ebenfalls massiv - die private Presse spürt es am stärksten
¨ Für jüngere Generation der sog. „digital natives“ stellt die Internetkommunikation den Normalfall dar.
¨ Noch relativ offen ist die Frage nach der Entwicklung von Vertrauen in socialmedia.
¨ Zeiten wie die Corona Krise zeigen die Relevanz von glaubwürdigen Informationen .
1 . Mediaperspektiven 6/2020 , S. 322 ff. Sechste Welle der Studie durchgeführt am Institut für Publizistik der Universität Mainz
2 https://www.medienanstalt-nrw.de/themen/intermediaere.html
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Netzwerkdurchsetzungsgesetz
4 ebda. S. 322
5 ebda. S. 323
6 ebda. S. 323
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